Die ultimative Optimierung des Arbeitnehmers

Wohlfühlort Büro

Die Erkenntnis, dass Leistung und Wohlbefinden sich gegenseitig bedingen, setzt sich endlich durch. Die Bürolandschaften in den Unternehmen verändern sich zum wohnlichen Wohlfühlort mit Rundum-Service für alltägliche Bedürfnisse. Der Mitarbeiter merkt immer weniger, dass er arbeitet. Soll er es vielleicht gar nicht merken? Geht es am Ende doch nicht um sein Wohlbefinden, sondern um die Ausreizung seiner maximalen Leistungsfähigkeit? Ein gesundes Wechselspiel zwischen Arbeit und Privatleben scheint verloren zu gehen. Das ist gefährlich. Jeder Einzelne ist heute selbst gefragt, sich zu schützen und für mehr Privatzeit auch in der allgegenwärtigen Arbeit zu sorgen.

Glaubt man aktuellen Berichten in den Medien, so verändern sich die Bürolandschaften in den Unternehmen grundlegend. Vorbei scheint das Zeitalter der nach dem Shared-Desk-Prinzip organisierten und am Ziel der Kostenminimierung orientierten Großraumbüros. Das Ende der Käfighaltung für Menschen, wie ich es gerne nenne, scheint in Sicht. Arbeitsplatzdesigner entwickeln auf Basis der Erkenntnisse von Arbeitspsychologen völlig neue „Outfits“ für die Arbeitsumgebungen des New-Work-Zeitalters.

Das Büro als rundum-Sorglos-Paket und Wohlfühlort

Das klingt positiv. Die Erkenntnis, dass Leistung und Wohlbefinden sich gegenseitig bedingen, setzt sich endlich durch. Die Mitarbeiter sollen ihre kreativen und innovativen Potenziale entfalten können. Selbst Zeiten der Muße und des Nichtstuns werden Salon- bzw. Bürofähig. Inzwischen weiß man, dass der Geist Ruhe braucht, um kreative Ideen zu entwickeln. Und so sehen die Bürowelten vielerorts aus wie gemütliche Wohnlandschaften, haben Rückzugsbereiche zum Nichtstun, Cafés und Bistros im angesagten Vintage-Look und bieten Spiel- und Fitnesszonen. Das Büro wird zum Lebensmittelpunkt mit alltagstauglicher Infrastruktur. Der Wäscheservice, die 24-Stunden-Kinderbetreuung, der Bestell- und Lieferservice für Lebensmittel, die mobile Massage, Wellness- und Fitnessangebote, das alles wird zum Rundum-Sorglos-Paket gegen Alltagsstress. Mitarbeiter arbeiten mit ihren eigenen mobilen Geräten. Bring-Your-Own-Device (BYOD) heißt die Philosophie der neuen Arbeitswelt. Auch das erleichtert Arbeiten immer und überall.

Neue Verpackung mit altem Inhalt

Mich beschleichen Zweifel an dieser scheinbar am Wohl des Menschen orientierten Arbeitswelt. Wo bleibt Zeit und Raum für Privates? Zeit und Raum für Freundschaften, Partnerschaften, Kinder und Familie, gesellschaftliches Engagement, Hobbies und für innere Ruhe im Alleinsein mit sich selbst. Geht es primär vielleicht darum, dass der Mensch nicht merken soll, dass er arbeitet und am Ende gar nicht mehr damit aufhört? Die Grenzen der menschlichen Leistungsfähigkeit maximal auszureizen, ist vermutlich oft das vordergründige Ziel. Anstatt Wandel zu gestalten, wird in eine neue Verpackung investiert, ohne die Inhalte zu verändern.

Das Privatleben löst sich dabei langsam auf. Das ist gefährlich. Der Schutz der Privatsphäre ist immens wichtig. Die beiden Aspekte Privatleben und Arbeit sind wesentliche Pole des menschlichen Daseins, die in einem guten Wechselspiel stehen müssen. Dafür sind wir in der neuen Arbeitswelt selbst verantwortlich. Denn es gibt keine von außen vorgegebene Struktur, die Arbeits- und Privatleben klar trennt. Fangen wir endlich an damit. Anstatt immer mehr Arbeit in das Privatleben zu lassen, sollten wir die Freiheiten der neuen Arbeitswelt nutzen, um auch Privates in das Arbeitsleben zu integrieren. So, dass am Ende eine neue Ausgewogenheit, fernab von starren Grenzen zwischen beiden Lebensbereichen, entstehen kann. So, dass wir uns selbst und unseren persönlichen Raum ernst nehmen und uns in allen Lebensbereichen wie eine Blume entfalten und wachsen können, anstatt in den nächsten Burn-out zu fallen. In der Positiven Psychologie nennt man es „flouerishing“.

Rituale für den Ausstieg aus dem Hamsterrad

Eine sehr wirksame Möglichkeit ist die Schaffung von Ritualen des Innehaltens und der Stille im Alltag. In einer Welt, in der Arbeit nahezu immer präsent ist, ist es essentiell für unsere Gesundheit, immer wieder aus dem Hamsterrad auszusteigen. Auch wenn das Hamsterrad immer komfortabler wird. Machen wir uns nichts vor. Es bleibt meist ein Hamsterrad und ist nur selten eine ehrlich gemeinte Komfortzone.

Sich im Alltag immer wieder bewusst eine Auszeit zu nehmen, in der wir nur bei uns selbst sind, die Arbeit und das laute und geschäftige Leben einmal völlig ausblenden, uns spüren, unsere Gefühle wahrnehmen, Stille genießen und zur Ruhe kommen, das stärkt und erhält uns gesund. In dieser Zeit fangen wir an zu reflektieren, was wir wollen, brauchen und was uns wichtig ist. Wir besinnen uns auf uns selbst und gewinnen Kraft und Stärke. Wir lernen, uns tief im Inneren wahrzunehmen und werden sensibel für die vielen kompetenten Signale, die uns unser Körper zum eigenen Schutz sendet.

Ein Morgenritual kann beispielsweise so eine wohltuende Auszeit sein. Bleiben Sie nach dem Aufwachen ein paar Minuten liegen und nehmen Ihren Körper, Ihre Gedanken und die Morgenstimmung wahr. Das ist besser als sofort aufzuspringen oder vielleicht sogar noch im Bett liegend die ersten Mails zu checken.

Sie können auch mit einem ersten Kaffee oder Tee ans Fenster oder im Sommer auf den Balkon oder in den Garten gehen und genießen einen Moment die Luft, die Vogelstimmen, das Licht, …

Ein regelmäßiger kurzer oder auch längerer Spaziergang an der frischen Luft ist eine wunderbare Auszeit. Bewegung an der frischen Luft und in der Natur tut Körper, Geist und Seele gut.

Meditative Auszeit-Rituale sind nachweislich wohltuend und verändern unsere Aufmerksamkeitsfokussierung weg von der Vergangenheit und Zukunft hin zum gegenwärtigen Moment.

Das sind nur wenige ausgewählte Beispiele. Es gibt viele weitere Möglichkeiten, ein gutes und ausgewogenes Leben in all der Geschäftigkeit zu gestalten. Wir gewinnen Selbstbewusstsein im wahrsten Sinne des Wortes. Das stärkt für die Aufgaben des Tages.

Es gibt Hoffnung

Glücklicherweise gibt es immer mehr Unternehmen, die die Bedeutung einer neuen Menschlichkeit und einer Orientierung an der eigenen Identität für wirtschaftlichen Erfolg erkannt haben. Trivago ist eines davon. “Ich glaube, dass es einfach Energie kostet, wenn man nicht bei sich selbst ist. … ” und „Ich glaube aber, dass es auf Dauer nicht gut ist, weder für einen Menschen noch für ein Unternehmen, nicht nah bei seiner Identität zu sein.“, so die Meinung von Rolf Schrömgens, CEO bei Trivago, in einem Interview mit der Wirtschaftswoche, das am 07.02.2018 veröffentlicht wurde: http://www.wiwo.de/erfolg/management-der-zukunft/trivago-chef-schroemgens-wir-haben-uns-ganz-von-finanziellen-anreizen-geloest/20934054.html?share=mail

Die Erkenntnisse der Positiven Psychologie bestätigen die nachhaltig stärkende Wirkung einer an menschlichem Wachstum und Potenzialentfaltung orientierten Gesellschaft, Wirtschaft und Unternehmenskultur.

Es ist eine für uns alle überlebenswichtige Kunst, uns selbst, andere und neue Systeme und Kulturen zu entwickeln, zu reflektieren und zu führen. Lassen wir uns nicht durch Design und Äußerlichkeiten ablenken. Hören wir auf, unreflektiert und fremdgesteuert immer schneller im Hamsterrad zu laufen. Übernehmen wir endlich selbst die Verantwortung für ein gutesLeben und wagen wir Wandel hin zu Menschlichkeit auch im Arbeitsleben.

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