Es ist schön und bereichernd, mit Menschen zusammen zu treffen, zu arbeiten und vielleicht sogar das Leben zu teilen, die anders und verschieden von uns sind. Es macht Spaß, sich miteinander auszutauschen, andere Perspektiven kennenzulernen und Neues voneinander zu lernen. Vorausgesetzt, wir begegnen uns offen und sind neugierig auf das, was uns voneinander unterscheidet.
Jeder kennt aber auch Situationen, in denen es schwerfällt, wohlwollend mit anderen Menschen umzugehen und zu akzeptieren, dass sie eben durch eine andere Brille auf die Welt schauen. Wann und weshalb ist das so schwer?
Die Wurzeln dafür liegen oft tief in uns selbst. Nicht selten berührt gerade das Unterschiedliche zwischen uns und anderen die Aspekte unserer selbst, die wir nicht spüren wollen und meist schon lange verdrängt haben. Das können unerfüllte Bedürfnisse und Sehnsüchte, eigene Verletzlichkeiten, schmerzliche Erlebnisse, unangenehme Gefühle und nicht selten sogar frühkindliche oder genetisch vererbte traumatische Erfahrungen sein. Vieles davon haben wir zum eigenen Schutz auf einer unbewussten Ebene unserer Persönlichkeit „versteckt“. Manchmal weil es nie sein durfte und wir nur im Nicht-so-sondern-angepasst-Sein angenommen und geliebt waren. Manchmal auch nur, weil es zu weh tut, genau dort hinzuschauen.
Berührt das Verhalten eines anderen Menschen genau diese Aspekte bei uns, so reagieren wir unbewusst mit Abwehr, um unser „Versteck zu sichern“. Manchmal sogar sehr heftig und aggressiv, je nachdem, wie verletzlich wir an dieser Stelle sind. Die Abwehr dient also dazu, uns nicht mit unseren eigenen, meist früh geprägten, innerpsychischen Konflikten auseinandersetzen zu müssen. Werden diese durch einen anderen Menschen getriggert, also ausgelöst, dann wehren wir uns eigentlich also nur gegen uns selbst.
Ein Ausweg aus den immer gleichen Abwehrmechanismen ist, sich seiner eigenen vielschichtig geprägten Identität bewusst zu werden. Wer sich selbst und die Entstehungsgeschichte seiner Lebensmuster erkennen und verstehen kann, kann neue Strategien entwickeln. Es braucht dann nichts mehr „unter dem Teppich“ gehalten zu werden. Wir halten dann aus, uns zu spüren, auch die verletzten oder unerfüllten Anteile. Abwehr ist dann nicht nötig.
Wir alle sind verschieden voneinander. Nicht nur kulturell und gesellschaftlich geprägt, auch in unserem Geschlecht und unserer sexuellen Orientierung, in unserer religiösen Orientierung, in der Sprache oder in unserer sozialen Herkunft. Das sind die Merkmale, die gemeint sind, wenn von Diversität die Rede ist.
Wir alle haben aber auch sehr verschiedene individuelle frühe Erfahrungen, Prägungen und genetische Vererbungen im Lebensgepäck. Mal mehr mal weniger förderlich für eine gesunde Entwicklung und Identitätsfindung. Mit mal mehr, mal weniger Zuwendung und bedingungsloser Liebe. Wir durften uns frei entfalten oder auch nicht. Wir durften wir selbst sein oder sollten es anderen recht machen. Wir waren erwünscht oder auch nicht. Und noch viel mehr Varianten. Kaum jemand hatte zu 100% die Eltern, die er gebraucht hätte. Das ist kein Vorwurf an Eltern. Auch sie konnten nur geben, was ihnen im Rahmen der Grenzen, die ihnen ihre eigene Lebensgeschichte auferlegt hat, möglich war.
Die Neurowissenschaften belegen, dass sich unser Gehirn und unser Nervensystem in Abhängigkeit von den unterschiedlichen Ausgangsbedingungen verschieden voneinander entwickeln und ausformen. Sie belegen damit einen weiteren, bisher wenig beachteten, Aspekt von Diversität und nennen es Neuro-Diversität. Wir alle sind neurodivers. Das bedeutet, einzigartig geprägt auf die Welt zu blicken und auf sie und die Menschen darin zu reagieren. Das zu verstehen bietet die Chance, im anderen Menschen zunächst einfach nur einen Menschen, anders als ich selbst, zu sehen. Einen Menschen, der versucht, sein Leben, so gut wie ihm möglich, zu leben. Mit allem Unvermögen und aller Fehlbarkeit und Verletzlichkeit, wie auch mit einzigartiger Lebensenergie, Mut und Kraft. Es eröffnet die Möglichkeit, einander zu akzeptieren, ohne zu (ver)urteilen und erwartungsfrei.
Vielleicht können wir damit auf Dauer milder aufeinander schauen, wie es eine Freundin kürzlich im Gespräch sehr schön ausgedrückt hat. Vielleicht beginnen wir damit, milder auf uns selbst zu schauen. Weniger an uns selbst zu zweifeln, uns mutiger anderen zuzumuten, uns auszubalancieren im Wunsch nach Unabhängigkeit und Verbundenheit und genau dadurch all das auch anderen zugestehen zu können.
Ich meine, es ist einen Versuch wert.
Auch dafür kann eine gute professionelle Begleitung bereichernd und hilfreich sein.
Ich bin gerne als Wegbegleiterin für Sie/Dich da.
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